Bis 19. Juli müssen engagierte Bürger*innen und Bürgerinitiativen eine Stellungnahme zu dem oben genannten Bebauungsplan eingereicht haben. Es geht darum, eine „Mobilitätsdrehscheibe“ umzusetzen, die vor allem mit der Einrichtung neuer Parkplätze verbunden sein wird. Wir Altstadtfreunde erlauben uns hierzu folgende Kritikpunkte:
1. Der Bedarf
Als Begründung für die Notwendigkeit dieses Vorhaben gibt die Stadt an: „In den vergangenen Jahren sind durch unterschiedliche städtebauliche Maßnahmen im Bereich der Altstadt Stellplätze entfallen und es werden im Rahmen der Verkehrsberuhigung Altstadt weitere Stellplätze entfallen. Ein Ausgleich der entfallenen und künftig noch entfallenden Stellplätze wird durch die Realisierung von Stellplätzen in der Mobilitätsdrehscheibe erreicht.“ Unseres Erachtens handelt es sich hier um eine Feststellung, die keine konkreten Informationen enthält, weil keine Zahlen genannt wurden. Wie viele und welche Stellplätze sind denn im Lauf der vergangenen Jahre tatsächlich in der Altstadt weggefallen? Welche konkreten Maßnahmen wurden denn beschlossen, um zukünftige Parkplätze in der Altstadt wegfallen zu lassen?
Seit Jahren bedauern wir Altstadtfreunde, dass die Stadt Regensburg kein Gesamtkonzept für die zukünftige Entwicklung und Gestaltung der Stadt hat. In einer schriftlichen Stellungnahme zu einigen Einzelprojekten der Stadt (Runder Tisch Altstadt vom 21. Oktober 2019) haben wir festgestellt: „Die Präsentation macht in den Teilen, die sich mit der Verkehrsberuhigung beschäftigen, wieder einmal das Fehlen eines Gesamtverkehrskonzepts schmerzlich bewusst. Die Einzelmaßnahmen tragen sicherlich zu einer partiellen Verkehrsverminderung bei, aber das für Verkehrsteilnehmer jeder Art inzwischen völlig unübersichtliche Wirrwarr an Fußgängerzonen, Wohnverkehrsstraßen, Spielstraßen und Fahrradstraßen in der Altstadt wird noch komplizierter.“ Bei einer weiteren Sitzung des Runden Tisches Altstadt am 15. Juli 2021 haben wir erneut vorgeschlagen, die Stadt solle endlich bei einem erfahrenen Planungsbüro ein Gesamtkonzept in Auftrag geben, das zum einen den gegenwärtigen Zustand der Stadt umfassend analysiert und dann ein Gesamtverkehrskonzept entwickeln soll, das Lösungsvorschläge für alle Verkehrsteilnehmer (Fußgänger, Radfahrer, motorisierter ruhender und fahrender Individualverkehr, ÖPNV, Deutsche Bahn) erarbeiten soll. Darauf antwortete Frau Oberbürgermeisterin Maltz-Schwarzfischer, ein solches Gesamtkonzept wäre zwar eine Möglichkeit, aber das werde die Stadt nicht in Auftrag geben, weil sie das „Konzept der kleinen Schritte“ bevorzuge.
Diese unzähligen „kleinen Schritte“, welche die Stadtverwaltung bisher geplant – und teilweise umgesetzt – hat, führten zu dem gegenwärtigen, irgendwie verworrenen Zustand. Wir fragen uns, wer in der Verwaltung einen umfassenden Überblick hat und genau Auskunft geben könnte. Wie viele und welche Stellplätze sind denn bisher und in welchen Jahren tatsächlich in der Altstadt weggefallen? Welche konkreten Maßnahmen wurden denn beschlossen, um zukünftige Parkplätze in welchen Jahren und in welchem Umfang in der Altstadt wegfallen zu lassen?
Vor zehn Jahren (2014) ist das Parkhaus Petersweg wiedereröffnet worden, mit einer Erhöhung der Kapazität um 100 Parkplätze (von 460 auf 560) – aber bisher ist kein einziger Parkplatz im Obermünsterquartier weggefallen. Nicht erwähnt wird von der Stadt, dass neuerdings auch das öffentliche Parkhaus Dallmeier mit 200 Stellplätzen in der Bahnhofstraße 16 zur Verfügung steht. Damit ist seit 2014 die Zahl der Parkhaus-Stellplätze in der Altstadt um 300 gestiegen.
Hinzuweisen ist dann, dass der Parkplatz des Landesamts für Finanzen (Bahnhofstraße 7) mit 120 Parkplätzen an den Wochenenden kostenlos benutzt werden kann. Früher hat auch die Regierung der Oberpfalz ihre Mitarbeiter-Parkplätze rund um den Ägidienplatz mit ca. 150 Stellplätzen an den Wochenenden kostenlos zur Verfügung gestellt. Diese bürgerfreundliche Aktion wurde von der Regierung rigoros zurückgenommen, weil es vorkam, dass an den Montagen noch parkende Autos angetroffen wurden. Ließe sich der Parkplatz nicht auch wieder öffnen, mit einer Regelung für unrechtmäßig abgestellte Autos? Dennoch – und ohne Berücksichtigung dieser von uns erwähnten Fakten – soll der Parkraum am Unteren Wöhrd von bisher 670 Parkplätzen enorm erweitert werden.
Parkhäuser in der Altstadt von Regensburg | Stellplätze |
Parkhaus Dachauplatz | 700 |
Parkhaus Petersweg | 560 |
Tiefgarage Bismarckplatz/ Theater | 355 |
Tiefgarage Arnulfsplatz | 170 |
Parkhaus Bischofshof (Unter den Schwibbögen) | 46 |
Parkhaus Castra Regina (Hauptbahnhof) | 400 |
Parkhaus Arcaden, Friedenstraße/ Hauptbahnhof | 1.850 |
Parkhaus Dallmeier, Bahnhofstraße 16 | 200 |
Gesamtzahl der Parkhaus-Stellplätze | 4.281 |
Wie die Tabelle darlegt, gibt es in den öffentlichen Regensburger Parkhäusern und Tiefgaragen insgesamt fast 4.300 Stellplätze. Im Vergleich dazu sei erwähnt, dass es in den öffentlichen Parkhäusern der Altstadt von München insgesamt nur 5.040 Stellplätze gibt (Süddeutsche Zeitung vom 10. Juli 2024, S. 33)!
Da in Regensburg die Parkgaragen nur selten voll belegt sind, gibt es hier keinen Parkplatzmangel (außer an besonders frequentierten Fest- oder Einkaufswochenenden).
Parkplätze (mit Parkschein) in der Altstadt von Regensburg | Stellplätze |
Parken am Emmeramsplatz | 47 |
Parken am Alten Kornmarkt | 97 |
Parkplatz Wöhrdstraße 18 | 170 |
Obermünsterviertel: 27 Parkplätze am Tag mit Parkschein, nachts nur für Anwohner 34 Parkplätze Tag und Nacht nur für Anwohner 26 Parkplätze mit Parkschein, nachts und am Wochenende frei5 Parkplätze für Behinderte | 92 |
Parkplatz Werftstraße (nur Anwohnerparkausweis) | 50 |
Parkplatz Schopperplatz (Oberer Wöhrd, nur Anwohnerparkausweis) | 48 |
Parkplatz ehem. Eisstadion (1 € / 2 €, bis maximal 24 Stunden) | 670 |
Gesamtzahl der Parkplätze | 1.174 |
In der obigen Tabelle sind die gegenwärtigen Stellplätze auf den öffentlichen Straßen und Plätzen Regensburgs aufgelistet. Sollte die Mobilitätsdrehscheibe tatsächlich im geplanten Umfang realisiert werden, könnten doch viele, wenn nicht alle Parkplätze mit Parkschein in der Altstadt zugunsten einer systematischen Begrünung und Neugestaltung der freiwerdenden Plätze aufgehoben werden. Zugelassen werden sollen dann in der Altstadt nur noch die erforderlichen Anwohnerparkplätze, sofern sie nicht in ein benachbartes Parkhaus verlegt werden können.
Nicht zu vergessen sind die kostenlosen, etwas weiter außerhalb gelegenen Parkplätze:
Parkplatz an der Gräßlschleife (Stadtamhof, kostenlos) | 106 |
Protzenweiher (kostenlos) | 180 |
Dultplatz (kostenlos) | 2.400 |
Park & Ride-Platz Jahnstadion (1 Euro einschließlich Busfahrkarte) | 280 |
Park & Ride-Platz Regensburg West (1 Euro einschließlich Busfahrkarte) | 335 |
Gesamtzahl der Parkplätze | 3.301 |
In Anbetracht der Tatsache, dass die Mobilitätsdrehscheibe seit 2017 geplant wird, finden wir bedauerlich, wie wenig konkrete Informationen die Stadt vorlegt. In einem Update zu einem Artikel in regensburg-digital vom 23. Mai 2024 hat das Stadtwerk Regensburg die geplante Maßnahme beschrieben: „Die Mobilitätsdrehscheibe wird aus einem Parkhaus mit ca. 580 Stellplätzen und einem Parkplatz mit ca. 400 Stellplätzen bestehen. Zudem werden von dem aktuellen Parkplatz ca. 75 Stellplätze zu Anwohnerstellplätzen umgewidmet.“ Zählt man das zusammen, kommt man auf insgesamt 980 geplante Parkplätze. In der Regensburger Zeitung liest man: „Die Anlage soll 1.000 bis 1.100 Parkplätze bieten statt der bisherigen 700“ (Hanna Gibbs: „Widerstand gegen das Parkhaus wächst“, in: Regensburger Zeitung vom 5. Juli 2024). Die Mittelbayerische Zeitung schreibt dagegen. „Herzstück dieses 18 Millionen Euro teuren Projekts mit bis zu 1.400 Stellplätzen ist ein großes Parkhaus. Dieses soll auf dem Areal der bereits bestehenden Parkierungsanlage mit 670 Parkplätzen entstehen“ (Rainer Wendl: „Mobilitätsdrehscheibe: Dreht sich der Wind?“, in: MZ vom 9. Juli 2024). Die angegebenen Zahlen für die zukünftigen Parkplätze schwanken also zwischen 980 und 1.400 – wie sollen wir uns diese unterschiedlichen Angaben erklären? Wenn man bedenkt, dass das 2022 errichtete Parkhaus an der TechBase 377 Parkplätze aufweist, ist die Diskrepanz bei den bisher von der Stadt genannten Zahlen erstaunlich.
Außerdem fehlen leider konkrete Angaben für eine weitere Maßnahme, welche die Stadt beschlossen und am 5. Juli 2024 umgesetzt hat: Seitdem dürfen die Parkplätze am Unteren Wöhrd nur noch bis maximal 24 Stunden genutzt werden (gegen eine Gebühr von 1 € für 12 Stunden und 2 € für 24 Stunden). In der Regensburger Zeitung liest man hierzu: „Laut Stadtverwaltung seien bis zu 50 Prozent der jetzigen Autos auf der vorhandenen Parkfläche Dauerparker“ (Hanna Gibbs, in: Regensburger Zeitung vom 5. Juli 2024). Mit anderen Worten: Die Stadtverwaltung rechnet damit, dass nach dem Wegfall der Dauerparker statt bisher 335 zukünftig 670 Parkplätze zur Verfügung stehen werden! Da für eine Übergangszeit die jetzt noch ertappten Dauerparker keinen Straf-, sondern nur einen Hinweiszettel vorfinden werden, wird es noch lange dauern, bis es konkrete Zahlen zur Frequenz der Parkierenden auf den vorhandenen 670 Stellplätzen gibt.
Mit ähnlichen, kaum oder nicht belegten Begründungen hat die Stadt 2022 den Bau des Parkhauses bei der TechBase durchgesetzt. Die Stadt verwies dabei auf neu gegründete Institutionen (Haus RUBINA, TechBase, Infineon, Krones, Vector) und behauptete: „4.000 Personen sollen in wenigen Jahren auf dem gesamten TechCampus beschäftigt sein. Eine Erfolgsgeschichte“. Obwohl es massive Proteste von Vereinen wie VCD, BüSO, Altstadtfreunde, Omas for Future, attac und ADFC gab (zitiert nach regensburg-digital vom 17. Januar 2022), wurde das Projekt ausgeführt. Nach der Fertigstellung zeigte sich, dass die Argumente der Gegner stimmten: Dieses Parkhaus für über 7 Millionen Euro steht seit der Fertigstellung so gut wie leer und hat der Stadt Regensburg eine Rüge vom Bayerischen Rechnungshof beschert, die nicht gerade zum positiven Image der Stadt beitrug.
2. Die Funktion
Im Vorspann zu dem Bebauungsplan ist zu lesen: „Die Mobilitätsdrehscheibe soll dabei weit mehr als ein reines Parkhaus und Kfz-Stellplätze umfassen. Sie beinhaltet zwar eine Vergrößerung der Stellplatzflächen von derzeit ca. 670 auf maximal 1.400 Stellplätze, aber auch weitere Mobilitäts- und Serviceangebote. Hierzu gehören u.a. Abstellmöglichkeiten für Fahrräder, zusätzliche Lademöglichkeiten von E-Fahrzeugen und E-Fahrrädern, Ausbau von Sharingangeboten, Hotel & Check in Counter, Flächen und Räumlichkeiten für Touristeninformation etc.“. Die hier angeführten Mobilitäts- und Serviceangebote sind zwar sinnvoll, lenken aber davon ab, dass der bisherige Bebauungsplan nicht zu einer umfassenden Mobilität führen kann. Normalerweise bezieht sich dieser Begriff auf einen Knotenpunkt verschiedener Angebote zwischen dem motorisierten Individualverkehr, dem Schienenverkehr der Deutschen Bahn und dem Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV).
In dem oben bereits erwähnten Beitrag vom 23. Mai 2024 in regensburg-digital wird Frau Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer zitiert: „Wir wollen, dass die Leute an dieser Stelle auf andere Verkehrsmittel umsteigen“. Uns ist nicht klar, was die Oberbürgermeisterin damit konkret meint. Eine begrenzte Zahl von Fahrrad-Abstellplätzen dürfte sicher geeignet sein, Autofahrer auf dem Unteren Wöhrd parken zu lassen, damit sie dort aufs Fahrrad umsteigen. Da laut der Stadt auch Car-Sharing-Angebote vorgesehen sind, fragt man sich aber, für welche Benutzer das gedacht ist. Sollen Autofahrer zukünftig in das neue Parkhaus fahren, ihr Auto abstellen und dann in ein anderes Auto umsteigen, mit dem sie dann ihr eigentliches Ziel ansteuern? Das würde leider keine Verringerung des motorisierten Individualverkehrs bewirken.
Aber entscheidend wäre doch der Umstieg auf die Deutsche Bahn oder den ÖPNV. Für die Zuganbindung ist der Untere Wöhrd in keiner Weise geeignet; außerdem befindet er sich viel zu nahe am Stadtzentrum. Hier wären P & R-Parkplätze weit außerhalb des Stadtzentrums und unmittelbar bei den Bahnhöfen sinnvoll; z.B. Bahnhof Regensburg-Walhallastraße (seit 1984 für den Personenverkehr geschlossen), Bahnhof Regensburg-Wutzlhofen (ebenfalls seit 1984 geschlossen), Bahnhof Regensburg-Burgweinting. Statt die beiden seit 40 Jahren für Personen geschlossenen Bahnhöfe zu reaktivieren, wird das zwar seit Jahrzehnten geplant, aber bis heute nicht realisiert!
Umso wichtiger wäre für die Mobilitätsdrehscheibe die Anbindung an den ÖPNV. Dieser kommt im Bebauungsplan aber gar nicht vor. Bisher fahren an der Bushaltestelle Wöhrdstraße die Linien 3, 5, 8, 13 und 17 weiter Richtung Hauptbahnhof, außer der Linie 4, die Richtung Arnulfsplatz fährt. Da die Mobilitätsdrehscheibe vor allem Autofahrer bedienen soll, die als Anwohner hier parken oder die in die Altstadt wollen, wird es sich angesichts der Fahrpreise des RVV aber kaum lohnen, hier den Bus zu nutzen. Wurden denn jemals die am Unteren Wöhrd parkenden Autofahrer befragt, welche Ziele sie mit welchen weiteren Verkehrsmitteln (zu Fuß, mit dem Fahrrad, mit welcher Buslinie) jeweils ansteuern?
Das einzig Sinnvolle scheint uns, den kostenlosen Altstadtbus in seiner Linienführung zu erweitern und auch die Mobilitätsdrehscheibe anzusteuern. Dann könnten alle relevanten Bereiche der Altstadt bequem erreicht werden. Diese Option kommt aber in den bisherigen Informationen der Stadt leider nicht vor. Der Wunsch der Oberbürgermeisterin, die Leute sollten „an dieser Stelle auf andere Verkehrsmittel umsteigen“, lässt sich unserer Meinung nach nur durch einen kostenlosen Altstadtbus erreichen – alle anderen Varianten wären unrealistisch.
3. Denkmalpflegerische Hinweise zu den Auswirkungen auf das Stadtbild und die Sichtachsen
Als erstes ist darauf hinzuweisen, dass der Untere Wöhrd in seinen Westteilen (mit Werftstraße und Beginn der Wöhrdstraße) direkter Bestandteil des UNESCO Welterbes Stadt Regensburg ist, während der östliche Teil komplett – auch noch unter der Nibelungenbrücke hindurch – zur Pufferzone gehört, die das Welterbe vor schädlichen Veränderungen schützen soll (Abb. 1). Hier geht es vor allem um den Erhalt der Sichtachsen zum Welterbe und um die Verhinderung von maßstabssprengenden, die Sichtachsen beeinträchtigenden Bauwerken.
Abb. 1 Stadt Regensburg UNESCO Welterbe (lila) und zugehörige Pufferzone (gelb)
Das ist der Stadt natürlich bekannt, so dass sich auch das Welterbe-Steuerungskomitee mit den denkmalpflegerischen Fragestellungen auseinandergesetzt hat, wie in der Begründung des Bebauungsplans Nr. 279 beschrieben wird. Bisher zeichnet sich die stark frequentierte Nibelungenbrücke mit ihrer Überquerung von Donau und Kanal als Erschließungsraum von überregionaler Bedeutung aus. Von ihr aus hat man einen weiten Blick hin zum Unteren Wöhrd, der sich durch den im Heimatschutzstil gehaltenen ortsbildprägenden Bau der Jugendherberge als von Grün umgebener Stadteingang präsentiert. Südlich davon öffnet sich der Blick über die Donau hin zur Altstadt und der einmaligen Silhouette des Weltkulturerbes. Das 1964 neben dem nördlichen Donauufer entstandene Eisstadion hat die Blickachse zum Unteren Wöhrd beeinträchtigt, aber nicht versperrt. 1978 kam es zu Planungen, das Stadion zu überdachen: „Diese Pläne wurden vielfach kritisiert, vor allem seitens der Stadt wurde besonders vehement angeführt, eine Überdachung würde die Sicht auf den Regensburger Dom versperren, worauf diese Planungen eingestellt wurden.“ 2004 zog der EVR in die Donau-Arena um (Zitat: https://de.wikipedia.org/wiki/Eisstadion_an_der_Nibelungenbrücke).
Nach unserer Meinung sind dem Welterbe-Steuerungskomitee entscheidende denkmalrelevante Probleme zur Mobilitätsdrehscheibe nicht klar genug vermittelt worden. Um die geplanten Veränderungen zu verdeutlichen, hat die Stadt eine Serie von computergestützten Visualisierungen in Auftrag gegeben. Dafür beauftragte man das Büro Eisenlauer Architektur und Stadtplanung München. Zusammen mit dem Büro für Landschaftsarchitektur terra.nova hatten nämlich diese zwei Büros im Jahr 2010 ein „Welterbeverträglichkeitsgutachten“ erstellt, das den beiden damals projektierten Brückentrassen über die Donau (sog. Westtrasse und sog. Osttrasse) gewidmet war. Dieses Welterbeverträglichkeitsgutachten hatte unser Vorstandsmitglied Achim Hubel bereits in seinem Aufsatz „Die Diskussion über eine zusätzliche Donaubrücke in Regensburg“, in: Die Denkmalpflege – Wissenschaftliche Zeitschrift der Vereinigung der Landesdenkmalpfleger in der Bundesrepublik Deutschland, Jahrgang 68, 2010, S. 135-144 analysiert und seine Tendenz zur bewussten Verharmlosung beschrieben. Damals stellte er unter anderem fest:
„Die Sichtfeldanalysen mit Hilfe von 3 D-Simulationen verdeutlichen vollends, dass hier ein Gutachten entstand, das genau den Wünschen der Stadt entspricht. Die Fotomotive sind so ausgesucht, dass man von der geplanten Westtrasse möglichst wenig sieht. … Die übrigen Fotomontagen sind aus großer Entfernung aufgenommen und zeigen immer nur die Brückenführung über die Donau, aber nicht die Auffahrtsrampen im Süden und Norden. Deshalb fehlt auch ein Blick auf die Häuser an der Holzländestraße und der Brunnleite, der – von Osten wie von Westen her aufgenommen – die Beeinträchtigung des Ensembles durch die gewaltige Rampe und den riesigen südlichen Brückenkopf verdeutlichen würde, der in seiner Dimension ja dem Kurvenradius der Busse angepasst werden müsste. Die hier zu erwartende empfindlichste und gravierendste Störung des Welterbes Regensburg wurde nicht als 3 D-Simulation dargestellt und offensichtlich bewusst ausgelassen.“
Die damaligen Einwände lassen sich in ähnlicher Weise auch bei den für die Mobilitätsdrehscheibe erstellten Visualisierungen vorbringen. Der generierte Blick von der Nibelungenbrücke aus – auf Höhe der Abfahrtsrampe zum Unteren Wöhrd – verdeutlicht, welch gewaltiger Klotz das zukünftige Parkhaus sein würde, zumal es weit über die Brücke nach oben ragt (Abb. 2). Als Kommentar schreibt das Büro Eisenlauer dazu: „Die einzige Stelle, an der die Sichtachse deutlicher betroffen ist, ist ein kleines Stück entlang der Nibelungenbrücke an der das Parkhaus mit der maximal möglichen Höhe über die Nibelungenbrücke ragt und von der Brücke aus sichtbar ist. Beim Gehen oder Fahren über die Brücke ist dies aber nur auf einem kleinen Teilbereich so, danach entfaltet sich wieder der volle Blick auf die Altstadt und in Richtung Dom und Steinerne Brücke“ (vgl. BEGRÜNDUNG vom 15.05.2024 zum Bebauungsplan Nr. 279, S. 27-30).
Abb. 2 Blick von der Nibelungenbrücke aus – auf Höhe der Abfahrtsrampe zum Unteren Wöhrd – zu dem gewaltigen Klotz des zukünftigen Parkhauses
Nicht erwähnt wird dabei, dass beim Weitergehen auf der Nibelungenbrücke der Parkhausblock den Blick auf den Unteren Wöhrd komplett verstellen würde. Bewusst war beim Bau der Nibelungenbrücke und der gleichzeitig errichteten Jugendherberge ein geschickt inszenierter Stadteingang gestaltet worden, der beim Weitergehen über die Brücke außer der Jugendherberge den damaligen, von Grünflächen gerahmten Winterhafen gezeigt hätte, bis dann über die Donau hinweg die Altstadtsilhouette von Regensburg auftauchte. Dieses spannende Erlebnis würde durch den Parkhausklotz brutal unterbrochen.
Deshalb zeigt das Büro Eisenlauer auch keine Visualisierung des durch die Parkhausmauer verstellten Blicks hinunter zum Unteren Wöhrd und auch keine Visualisierung des Blicks zurück, etwa von der Mitte der Donau aus nach Nordwesten zum Unteren Wöhrd, weil alles durch die Parkhausanlage verstellt sein würde. Die nächste Visualisierung suggeriert nämlich von einem Standpunkt ganz im Südosten der Nibelungenbrücke einen Blick hinüber zum Parkhaus, das in einem hellbraun getönten Streifen nur angedeutet ist (Abb. 3).
Abb. 3 Blick von der südöstlichen Rampe der Nibelungenbrücke hinüber zum Parkhaus
Die übrigen Visualisierungen zeigen Blicke vom südlichen Donauufer hinüber zur geplanten Mobilitätsdrehscheibe (Abb. 4). Diese erscheint mit den Parkhausbauten als hellbraun/ ockerfarbener Streifen vor dem Baumbestand dahinter. Wie weit diese Bäume nicht der geplanten Baumaßnahme weichen müssen, sei dahingestellt.
Abb. 4 Blick vom südlichen Donauufer hinüber zum Parkhaus der Mobilitätsdrehscheibe
Dazu führt das Büro Eisenlauer aus: „Das neue Bauvolumen ist nicht sichtbar, wird aber hinter dem Pflanzbestand, jahreszeitlich bedingt, schematisch erkennbar sein, jedoch ohne eine maßgebliche Wirkung im Stadtbild zu entfalten.“ Es zeigt die jahreszeitlich bedingte, schematische Erkennbarkeit der Volumetrie des möglichen Neubaus hinter dem Pflanzbestand, der dadurch keine maßgebliche, visuell wahrnehmbare Wirkung im Stadtbild entfalten wird. Beeinträchtigungen der Wirkung von prägenden Elementen des Erscheinungsbilds der Stadt Regensburg und der Integrität des Welterbes sind nicht zu erkennen.“ Diese Visualisierung ist unseres Erachtens ausgesprochen oberflächlich. Schließlich sind die Bäume im Winterhalbjahr kahl, so dass die Parkhausbauten sehr wohl zu sehen sein werden.
Auf der von der Stadt vorgelegten Planzeichnung der zukünftigen Mobilitätsdrehscheibe sind nur im westlichen Drittel am Donauufer Bäume eingezeichnet, weiter im Osten erscheint die blanke Parkhausmauer. Bezeichnenderweise gibt es keine Visualisierung des Büros Eisenlauer, das den Blick vom südlichen Donauufer – etwa in Höhe der Königlichen Villa – auf die geplante Mobilitätsdrehscheibe simuliert. Dann würde man nämlich sehen, dass der Blick – ohne Bäume – direkt auf den Parkhausklotz fallen würde. Als konstruktiv empfinden wir dagegen den Vorschlag des Bundes Naturschutz, entlang des Donauufers alle Bäume stehen zu lassen, eine gestaltete Grünfläche zu planen und dafür die zukünftigen Stellplätze stark zu reduzieren – auf den demnächst von der Stadt nachvollziehbar begründeten Bedarf.
4. Fazit
Unter Berücksichtigung der genannten Faktoren – und mit Hinweis auf die von uns Altstadtfreunden komplett unterstütze Stellungnahme des Bundes Naturschutz – stellen wir fest, dass die von der Stadt vorgelegte Planung der Mobilitätsdrehscheibe noch nicht ausreichend durchdacht ist. Die von uns aufgezeigten Planungsdefizite offenbaren unserer Meinung nach, dass der Bedarf für eine Anlage dieser Größe keinesfalls nachvollzogen werden kann. Die Bebauung mit einem Parkhaus in den angedachten Dimensionen innerhalb der Pufferzone des UNESCO-Welterbes Stadt Regensburg – unmittelbar am nördlichen Donauufer – muss als maßstabsprengend bezeichnet werden. Außerdem würde der Parkhausklotz von der Nibelungenbrücke aus eine wichtige Sichtachse zum Stadteingang und zur Altstadt beeinträchtigen.
Aus all den oben genannten Gründen erhebt die Vereinigung Freunde der Altstadt Regensburg e. V. Einspruch gegen den Bebauungsplan 279 und die 76. Änderung des Flächennutzungsplanes im Bereich „Mobilitätsdrehscheibe Unterer Wöhrd“.
Wir erwarten eine grundlegende Neuplanung
auf der Basis des nachgewiesenen Bedarfs
und der konkreten, mit Zahlen belegten Pläne zur Reduzierung der Parkplätze in der Altstadt
sowie unter Berücksichtigung einer maßstabsgerechten, die Blickachsen zum Unteren Wöhrd und zur Altstadt erhaltenden Parkhauskubatur.
Regensburg, 16. Juli 2024
Prof: Dr. Peter Morsbach Prof. Dr. Achim Hubel